Spiegelzeltblog 2013
25. Mai 2013
DER DOZENT
Das Programm „Freiheit ist alles“ ist nun schon zwei Jahre alt, aber trotzdem zeitlos aktuell. Denn Wissenschaft hat nicht ein so schnelles Verfallsdatum wie Tagespolitik, und deshalb kann der Diplomphysiker und Kabarettist Vince Ebert auch im Spiegelzelt seinen ambitionierten Vortrag halten.
Vince Ebert und Eckart von Hirschhausen sind Brüder in Geist und Machart. Sie versuchen, wissenschaftliche Erkenntnisse unterhaltsam und humorvoll unter die Leute zu bringen. Hirschhausen hat bei Eberts aktuellem Solo Regie geführt, die Handschrift ist erkennbar, und das Resultat überzeugend.
Vince Ebert merkt man am Dialekt seine fränkische Herkunft an. Er betritt im makellosen Anzug die Bühne, ganz der junge, erfolgreiche Dozent mit ein wenig Tarantino-Charme. Und er legt gleich voll los mit seinen schwarzhumorigen Faktenschlüssen: dass nach wissenschaftlicher Erkenntnis und Bibelwortanalyse der Himmel heißer als die Hölle ist. Dass Sachsen-Anhalt zwar eine hohe Arbeitslosigkeit verzeichnet, sich das aber positiv auf den Berufsverkehr auswirkt. Dass David Hasselhoff verwahrlosen muss, weil er geschieden ist. Und dass für viele Deutsche Gott ein tschechischer Schlagersänger ist.
Mit Tim aus dem Publikum demonstriert er die Knickschwingung eines Wassermoleküls und erklärt am Beispiel der Frage, ob sich im Kühlschrank Bier befindet die Unterschiede zwischen Theologen, Wissenschaftlern und Esoterikern. Er fordert bei manchen Namensgebungen Blauhelme ins Taufbecken und macht Vorschläge zur Eindämmung des Rauchens. Das alles ist sehr vergnüglich und intelligent präsentiert. Ebert nutzt den Flipchart für seine Formelkenntnis und zur Demonstration von Erwartungshaltungen. Er malt Rundungen, die für Männer erotisches Signal, und für Frauen beleidigte Elefanten symbolisieren. Erkenntnis wird lachend quittiert, und dieses Nachdenken will Ebert auch erreichen. Dazu nutzt er auch Mittel der Provokation: er zeichnet eine Fratze, und fragt, wer Mohammed darunterschreiben will. Und damit demonstriert er das Plus von Religions- und Meinungsfreiheit und weist engagiert und politisch unkorrekt die Auswüchse von falsch verstandener Multi-Kulti-Toleranz in ihre Grenzen.
Hauptthema ist die Freiheit, und was wir mit diesem Gut anfangen. Ebert erklärt die philosophische Tradition der Selbstbestimmung, zitiert Locke, Kant und Hegel und zeigt die Auswirkungen und Fehlentwicklungen aktueller Demokratiemodelle auf. („Die Hälfte der Bundestagspolitiker sind in ihrem Wahlkreis durchgefallen“.) Er mahnt die Umsetzung von Bildung und Frühförderung an, und all dieses Dozieren wird nie langweilig, da er mit viel Trugschlusskomik Denkprozesse anregt.
Natürlich ist Vince Ebert mit seiner Bühnenfigur und nasaler Stimme auch zuverlässiger Gaglieferant. Ein stinkfauler Mensch ist für ihn ein trockener Workoholic, bei Heroin sind Ebert die Fixkosten zu hoch und er zitiert aus einer DGB-Broschüre, dass die Ursache der meisten Betriebsunfälle Arbeit ist. Er präsentiert die Umsetzung von Testreihen an Discobewegungen, und erläutert, dass der Penisköcher zwar in manchen Weltecken männliches Statussymbol sei, man aber solcherart Protzerei in örtlichen Kreissparkassen lieber unterlassen sollte. Doch neben solchen Blödeleien gibt es auch Tiefgang. Ebert zeigt, was die politische Verwendung des Wortes „Quantensprung“ eigentlich bedeutet, listet die Absurditäten von Mehrwertsteuerauslegungen auf und demonstriert mit der Verbrennung eines 50-Euro-Scheins den wirklichen Wert des Geldes.
Feuerwerksgeräusche stören die Routine des Programms, da reagiert Ebert eher konventionell als schlagfertig. Doch insgesamt ist Eberts Vortrag sehr lehrreich und engagiert, und für manchen Zuhörer sicher auch eine Lebenshilfe.
Abschließend gibt Ebert musikuntermalte Freiheitsempfehlungen und stellt bei der Zugabe Sexualität unter dem Blickwinkel des Physikers vor.
Ab Juni gibt es ein neues Programm, auch dieses wird im Spiegelzelt sicher Freunde finden. Und wenn die Zuhörer nur die Erkenntnis mitnehmen, dass Geld nicht frei macht, dann hat sich der Abend gelohnt.
FAZIT
Witziger und unterhaltsamer Bildungsabend mit Denkanstößen
SPRUCH DES TAGES
„Ich bin nach Merkel und Lafontaine der dritte Physiker der sein Geld mit Kabarett und Comedy verdient“.
Vince Ebert
SPLITTER
Bei manchen Spiegelzeltbesuchern können die Einlasser und Platzeinweiser eine gewisse „Handtuchmentalität“ feststellen. Die Logen sind eigentlich für acht Besucher eingerichtet, aber manche Erstankömmlinge wähnen sich im Recht, wenn sie nachkommende Besucher abweisen und die Loge als persönliches Eigentum betrachten. Dann müssen Oliver Wickel und manche Mitarbeiter psychologische Überzeugungsarbeit leisten, doch meistens wirken sanfte pekuniäre Hinweise...